Vorzeiten lebte eine Witwe, und sie hatte drei Töchter; die sagten zu ihrer Mutter, sie wollten ausziehen, ihr Glück zu machen. Die Mutter buk drei Laibchen Brot. Sie sagte zu der Ältesten: „Was willst du lieber haben, den kleineren Teil und meinen Segen oder den größeren und meinen Fluch?“ – „Ich will lieber den größeren haben“, sagte sie, „und deinen Fluch.“
Sie sagte zur Mittleren: „Willst du lieber den größeren Teil und meinen Fluch oder den kleineren und meinen Segen?“ – „Ich will lieber den größeren“, sagte sie, „und deinen Fluch.“
Sie sagte zu der Jüngsten: „Willst du lieber den größeren Teil und meinen Fluch oder den kleineren und meinen Segen?“ – „Ich will lieber den kleineren und deinen Segen.“ Das gefiel der Mutter wohl und sie gab ihr die beiden anderen Teile noch dazu.
Sie machten sich also auf den Weg, aber die beiden Älteren wollten die Jüngste nicht bei sich haben, und sie banden sie an einen Felsen aus hartem Stein. Dann gingen sie fort, aber der Segen der Mutter kam und befreite das Mädchen. Und als sie sich umschauten, wen sahen sie, wenn nicht die Jüngste mit dem Fels auf ihrem Rücken. Sie ließen sie eine Weile in Ruhe, bis sie zu einem Torfstapel gelangten; und sie banden sie an den Torfstapel. Dann gingen sie ein Stück weiter, aber der Segen ihrer Mutter kam und befreite die Jüngste, und sie schauten sich um, und wen sahen sie, wenn nicht das Mädchen mit dem Torfstapel auf dem Rücken. Sie ließen sie wieder eine Weile in Ruhe, bis sie zu einem Baum gelangten, und sie banden sie an den Baum. Dann gingen sie weiter, aber der Segen ihrer Mutter kam und befreite das Mädchen, und als sie sich umschauten, wen sahen sie, wenn nicht die Jüngste mit dem Baum auf ihrem Rücken. Da merkten die beiden, dass es keinen Zweck hatte, ihr etwas anzutun, und so machten sie sie los und ließen sie mitgehen.
Sie wanderten fort, bis die Nacht kam. Sie sahen ein Licht in der Ferne, und ob der Weg auch weit war, so dauerte es doch nicht lange, bis sie zu einem Haus kamen. Sie gingen hinein. Was war es, wenn nicht eins Riesen Haus! Sie fragten, ob sie über Nacht bleiben könnten. Es wurde ihnen gewährt, und man gab ihnen ein Lager zusammen mit den drei Töchtern des Riesen. Der Riese kam nach Hause und sagte: „Es riecht hier drinnen nach den fremden Mädchen.“ Nun hatten die drei Riesentöchter Ketten von Bernstein um den Hals, während die drei anderen Schnüre von Rosshaar um den Hals trugen. Sie schliefen alle, nur Maol a Chliobain schlief nicht.
Mitten in der Nacht bekam der Riese Durst. Er rief seinen kahlen, rauhhäutigen Knecht, er solle ihm Wasser bringen. Der kahle, rauhhäutige Knecht sagte, es sei nicht ein Tropfen im Hause. „So töte eines der fremden Mädchen“, sagte er, „und bringe mir ihr Blut.“ – „Wie soll ich sie herauskennen?“ fragte der kahle, rauhhäutige Knecht. „Um den Hals meiner Töchter sind Ketten aus Bernstein gelegt und Schnüre aus Rosshaar um den Hals der anderen.“
Maol a Chliobain hörte, was der Riese sagte, und tat, so schnell sie konnte, die Schnüre aus Rosshaar ,die sie und ihre Schwestern um den Hals trugen, den Riesentöchtern um den Hals; und die Bernsteinketten, die die Riesentöchter um den Hals trugen, tat sie sich selbst und ihren Schwestern um den Hals; und dann lag sie ganz still.
Der kahle, rauhhäutige Knecht kam, tötete eine der Riesentöchter und brachte dem Riesen das Blut. Der verlangte mehr Blut. Der Knecht tötete die nächste. Der Riese verlangte noch mehr Blut, und der Knecht tötete die dritte.
Maol a Chliobain weckte ihre Schwestern, nahm sie auf ihren Rücken und machte sich eilends auf den Weg. Der Riese merkte, dass sie wegging, und er folgte ihr. Die Feuerfunken, die sie mit ihren Hacken aus den Steinen schlug, die trafen den Riesen am Kinn, und die Feuerfunken, die der Riese mit den Spitzen seiner Schuhe aus den Steinen schlug, die trafen Maol a Chliobain am Hinterkopf.
So ging es fort, bis sie zu einem Fluss kamen. Sie riss sich ein Haar aus, machte eine Brücke daraus und kam über den Fluss, und der Riese konnte ihr nicht folgen.
„Du bist drüben, Maol a Chliobain.“
„Ich bin drüben, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meine drei kahlen, braunen Töchter getötet.“
„Ich habe sie getötet, wenn es auch hart für dich ist.“
„Und wirst du wiederkommen?“
„Ich werde kommen, wenn mein Weg mich zu dir führt.“
Sie gingen weiter, bis sie zum Haus eines Bauern kamen. Der Bauer hatte drei Söhne. Die Mädchen erzählten, was ihnen widerfahren war. Sagte der Bauer zu Maol a Chliobain: „ich werde meinen ältesten Sohn deiner ältesten Schwester zum Manne geben. Und du holst mir dafür den feinen Kamm aus Gold und den groben Kamm aus Silber, die der Riese in seinem Besitz hat.“
„Abgemacht“, sagte Maol a Chliobain.
Sie ging fort; sie kam zum Haus des Riesen; sie gelangte unerkannt hinein. Sie nahm die Kämme und lief hinaus. Der Riese entdeckte sie und lief hinterher, bis sie zum Fluss kamen. Sie sprang über den Fluss, aber der Riese konnte nicht über den Fluss springen.
„Du bist drüben, Maol a Chliobain.“
„Ich bin drüben, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meine drei kahlen, braunen Töchter getötet.“
„Ich habe sie getötet, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meinen feinen Kamm aus Gold und meinen groben Kamm aus Silber gestohlen.“
„Ich habe sie gestohlen, wenn es auch hart für dich ist.“
„Wann wirst du wiederkommen?“
„“Ich werde kommen, wenn mein Weg mich zu dir führt.“
Sie gab die Kämme dem Bauern, und ihre große Schwester und des Bauern großer Sohn wurden vermählt.
„Ich werde meinen mittleren Sohn deiner mittleren Schwester geben, dafür sollst du mir das Lichtschwert des Riesen holen.“
„Abgemacht“, sagte Maol a Chliobain.
Sie ging fort, und sie kam zum Haus des Riesen; sie stieg in den Wipfel eines Baumes, der über dem Brunnen des Riesen war. In der Nacht kam der kahle, rauhhäutige Knecht mit dem Lichtschwert, um Wasser zu holen. Als er sich bückte, das Wasser zu schöpfen, kam Maol a Chliobain herunter, stieß ihn in den Brunnen, ertränkte ihn und nahm das Lichtschwert mit. Der Riese verfolgte sie, bis sie zum Fluss kam. Sie sprang über den Fluss, aber der Riese konnte ihr nicht folgen.
„Du bist drüben, Maol a Chliobain.“
„Ich bin drüben, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meine drei kahlen, braunen Töchter getötet.“
„Ich habe sie getötet, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meinen feinen Kamm aus Gold und meinen groben Kamm aus Silber gestohlen.“
„Ich habe sie gestohlen, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meinen kahlen, rauhhäutigen Knecht getötet.“
„Ich habe ihn getötet, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast mein Lichtschwert gestohlen.“
„Ich habe es gestohlen, wenn es auch hart für dich ist.“
„Wann wirst du wiederkommen?“
„Ich werde kommen, wenn mein Weg mich zu dir führt.“
Sie kam zum Haus des Bauern mit dem Lichtschwert, und ihre mittlere Schwester und der mittlere Sohn des Bauern wurden vermählt.
„Ich will dir selbst meinen jüngsten Sohn geben“, sagte der Bauer, „und du sollst mir einen Bock holen, den der Riese besitzt.“
„Abgemacht“, sagte Maol a Chliobain.
Sie ging davon und kam zum Haus des Riesen, aber als sie den Bock glücklich eingefangen hatte, bekam der Riese sie zu fassen.
„Was tätest du mir an“, sagte der Riese, „wenn ich dir das angetan hätte, was du mir angetan hast?“
„Ich gäbe dir Milchbrei zu essen, bis du platztest; dann steckte ich dich in einen Sack und hängte sich an den Firstbalken; dann machte ich ein Feuer unter dir, und ich schlüge mit Keulen auf dich ein, bis du als ein Bündel vertrockneter Stecken zu Boden fielest.“
Der Riese machte Milchbrei und ließ sie den Brei trinken. Sie strich Milchbrei um ihren Mund und überall in ihr Gesicht, und sie sank um, als ob sie tot wäre. Der Riese steckte sie in einen Sack, und er hängte sie auf am Firstbalken, und er ging weg, er selbst und alle seine Männer, um Holz aus dem Wald zu holen.
Die Mutter des Riesen war drinnen im Haus. Als der Riese fortgegangen war, fing Maol a Chliobain an zu rufen: „Jetzt bin ich im Licht! Jetzt bin ich in der goldenen Stadt!“ – „Willst du mich auch hineinlassen?“ sagte das alte Weib. „Nein, ich will dich nicht hineinlassen.“ Schließlich ließ die Alte den Sack herunter. Maol a Chliobain steckte sie hinein, die Alte – mit Haut und Haar. Sie nahm den Bock mit und lief davon. Als der Riese zurückkam, fingen er und seine Leute an, mit ihren Stangen auf den Sack einzuschlagen. Die Alte schrie immerzu: „ich bin es, die drinnen ist!“ – „Ich weiß, dass du es bist, die da drinnen ist“, sagte der Riese, indem er weiter auf den Sack einschlug. Der Sack kam schließlich herunter als ein Bündel Stecken, und was war darin, wenn nicht seine Mutter. Als der Riese das sah, machte er sich auf und rannte hinter Maol a Chliobain her. Er folgte ihr, bis sie zum Fluss kam. Maol a Chliobain sprang über den Fluss, und der Riese konnte nicht über den Fluss.
„Du bist drüben, Maol a Chliobain.“
„Ich bin drüben, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meine drei kahlen, braunen Töchter getötet.“
„Ich habe sie getötet, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meinen feinen Kamm aus Gold und meinen groben Kamm aus Silber gestohlen.“
„Ich habe sie gestohlen, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meinen kahlen, rauhhäutigen Knecht getötet.“
„Ich habe ihn getötet, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast mein Lichtschwert gestohlen.“
„Ich habe es gestohlen, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meine Mutter getötet.“
„Ich habe sie getötet, wenn es auch hart für dich ist.“
„Du hast meinen Bock gestohlen.“
„Ich habe ihn gestohlen, wenn es auch hart für dich ist.“
„Wann wirst du wiederkommen?“
„Ich werde kommen, wenn mein Weg mich zu dir führt.“
„Wenn du hier auf dieser Seite wärest und ich drüben“, fragte der Riese, „was tätest du, um mir zu folgen?“
„Ich ließ mich auf die Knie nieder und tränke, bis ich den Fluss leergetrunken hätte.“
Der Riese ließ sich auf die Knie nieder, und er trank, bis er zerplatzte.
Maol a Chliobain und der jüngste Sohn des Bauern aber wurden miteinander vermählt.
(Märchen aus Schottland, Diederichs Verlag, 1993)